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„Die Klimakrise macht Saisonarbeit viel schwieriger“

„Die Klimakrise macht Saisonarbeit viel schwieriger“

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„Die Klimakrise macht Saisonarbeit viel schwieriger“

Olivia, 23, arbeitet als Rettungssanitäterin in den Rocky Mountains in den USA. Sie erzählt, wie die Klimakrise ihren Job beeinflusst und warum sie überlegt, sich zur Feuerwehrfrau umschulen zu lassen.

Olivia wünscht sich ein stärkeres Umweltbewusstsein bei allen Menschen, die die Natur lieben und gerne Zeit in ihr verbringen.
Foto: Olivia Brunner-Gaydos

Die Auswirkungen der Klimakrise bedrohen die Lebensgrundlage von Menschen weltweit. An manchen Orten sind die Folgen schon heute besonders zu spüren. In den Klimatagebüchern berichten Menschen davon, wie sich das Leben in ihren Regionen durch die Klimakrise verändert. 

In der 21. Folge berichtet Olivia Brunner-Gaydos, 23, warum sie überlegt, eine Umschulung zur Feuerwehrfrau zu machen und warum Winter-Outdoorsportarten durch die Klimakrise gefährlicher werden könnten. 

Eine wirkliche Sicherheit in den Vorhersagen gibt es allerdings keine, denn die vorletzte Saison war wiederum sehr schneereich. Das macht es für uns Saisonarbeiter:innen zum Teil hart, da nicht alle Jobs gesichert sind. Ich habe Glück, da meine Position als Rettungssanitäterin relativ sicher ist. Aber ich kenne viele Menschen hier in den Sawtooth Mountains, die zu Beginn der Saison eine Jobzusage hatten – die dann aber doch nicht arbeiten konnten, weil so wenig Schnee da war. Ich bin manchmal ein bisschen nervös, wie sich die Situation für mich entwickelt und überlege, eine Umschulung zur Feuerwehrfrau zu machen. Da wird es durch die Waldbrände in der Gegend in Zukunft sehr viel mehr Bedarf geben.

Auch in meinem Job im Sommer spüre ich den Klimawandel. Da arbeite ich im gleichen Gebiet als Rettungssanitäterin, vorranging in der Mountain-Bike-Szene. Aber in den Sommermonaten ich bin auch Sanitäterin bei der Feuerwehr. In den vergangenen Tagen kamen schon die ersten Infomails, wie wir uns auf die Waldbrand-Saison vorbereiten sollen. Auch Flut-Warnungen sind schon eingetrudelt, obwohl wir kaum Regenfälle hatten. Doch Starkregenevents lösen gerade bei trockenen Böden Überflutungen aus – sämtliche Evakuationspläne sind schon ausgearbeitet. Dieses Jahr wird von sehr starken Waldbränden ausgegangen, weil es so trocken war und der Schnee im Winter gefehlt hat. Die Waldbrand-Saison wird immer länger, weil die Brände größer sind und öfter auftreten. In vielen Gegenden gehören Waldbrände zur Erneuerung des Ökosystems dazu, aber die Anzahl der Feuer und ihre Intensität wird durch die Klimakrise definitiv verstärkt. 

In meiner Arbeit sehe ich, wie sich die Waldbrände negativ auf die Gesundheit vieler Menschen auswirken. Besonders der Rauch in der Luft verursacht verstärkt Atemprobleme und Atemwegserkrankungen. Das trifft Menschen mit Vorerkrankungen wie Asthma deutlich stärker, viele von ihnen können dann kaum vor die Tür. Auch sehr stark betroffen sind wohnungs- und obdachlose Menschen. In Seattle bin ich eine Zeitlang Rettungswagen gefahren, dort leben viele Menschen auf der Straße. Wenn die Rauchbelastung in der Luft zu hoch ist, haben viele von ihnen keinen Zufluchtsort. Auch bei extrem hohen oder niedrigen Temperaturen, die in den vergangenen Jahren sehr oft aufgetreten sind, sind sie diesen Konditionen oftmals schutzlos ausgeliefert. Das zeigt, wie ungerecht die Klimakrise die Menschen betrifft: Es sind meist Menschen, die es ohnehin schon schwieriger haben, die am meisten unter den Folgen leiden. 

Das Bewusstsein für die Klimakrise ist hier sehr unterschiedlich verteilt. Ich habe das Gefühl, in größeren Städten gibt es mehr Wissen darüber als in ländlichen Regionen. In Idaho, wo ich lebe und arbeite, ist die Outdoor-Community zwar sehr groß – es fehlt aber an Bewusstsein für die Klimakrise. Die Menschen lieben die Natur, gleichzeitig ist ein Großteil aber politisch sehr konservativ eingestellt und priorisiert die Klimakrise nicht besonders. Das lässt mich immer wieder kopfschüttelnd zurück. Auf Orcas Island im Nordwestpazifik, wo ich aufgewachsen bin, und in Seattle, wo ich auch gelebt habe, ist die Situation anders: Ich hatte dort immer das Gefühl, dass die Menschen sich der Veränderungen sehr bewusst sind. Es war viel einfacher, zu Klimaprotesten zu gehen und sich klimafreundlich zu verhalten. Recycling war in Seattle super einfach, in Idaho hingegen ist Biomüll quasi ein Fremdwort.  

Ich habe sehr viel Wut und Traurigkeit in mir, wenn ich die Folgen der Klimakrise sehe und fühle. Es sollte so einfach sein, zu verstehen, dass wir alle am Ende sind, wenn wir die Situation weiter eskalieren lassen. Die Wissenschaft ist sich so einig darüber, was die Folgen angeht. Dennoch kommen manche Menschen mit absurden Ideen und Verschwörungstheorien um die Ecke. Das macht mich wütend. Aber es macht mir Hoffnung, dass Menschen wie mein Vater – er ist Meeresbiologe – mit Politiker:innen zusammenarbeiten und ihr Wissen einbringen. Die jüngeren Generationen machen mir auch Mut, wir werden nämlich älter und kommen nach und nach auch in politische Ämter. Und wir haben einen großen Willen, etwas zu verändern.  

Ich hatte in den letzten Jahren oft Schuldgefühle, wenn ich mal neue Kleidung gekauft habe oder mit dem Flugzeug gereist bin. Mir hat es geholfen, die Veränderungen, die ich selbst in meinem Leben anstoßen konnte, mehr zu würdigen – auch wenn sie klein sind. Irgendwann habe ich verstanden, dass die Lösung der Klimakrise nicht nur individuell gelingen kann, sondern durch die Veränderung des Systems.“ 

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