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Warum Menschen nicht wählen gehen und welchen Einfluss sie haben

Warum Menschen nicht wählen gehen und welchen Einfluss sie haben

upday.de |

Was zählt schon eine Stimme neben Millionen anderen? Nicht wenige werden sich vor den Wahlen zu den Landtagen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg die Frage stellen, was ihr Kreuz tatsächlich bewirken kann.

Politische Macht wird in repräsentativen Demokratien wie der Bundesrepublik in der Regel über eine freie, gleiche und allgemeine Wahl von Parteien und Personen verteilt. Das bedeutet auch: Jeder wahlberechtigte Bürger und jede wahlberechtigte Bürgerin hat dasselbe Stimmrecht und Stimmgewicht. Doch nicht alle nehmen das wahr.

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Bei der vergangenen Bundestagswahl im Jahr 2021 gab rund jeder vierte Wahlberechtigte keine Stimme ab. Bei den jüngsten Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im Jahr 2019 war es jeder Dritte. Damit ist die Gruppe der Nichtwähler für sich gesehen so groß wie eine Volkspartei.

Daneben gibt es noch Menschen, die gern wählen wollen, aber nicht dürfen. Sie besitzen zum Beispiel keine deutsche Staatsbürgerschaft oder ihnen fehlt das notwendige Mindestalter.

Wieso gehen Menschen eigentlich nicht wählen?

Die Politikwissenschaft kennt mehrere Umstände, warum Menschen dem Wahllokal absichtlich fernbleiben. Einer davon ist, dass sie sich für Politik und Parteien nicht interessieren. Oder sie bezweifeln, mit ihrem Kreuz überhaupt etwas verändern zu können. Manche machen ihre Stimmzettel sogar im Wahllokal ungültig – und sehen das als symbolischen Akt, weil sie keine Partei oder Kandidaten als wählbar erachten.

Grundlegend kann gesagt werden: Die Bereitschaft, zur Wahl zu gehen, ist bei Menschen mit hohem Einkommen und hohen Bildungsabschlüssen stärker als bei Menschen mit weniger Einkommen oder geringerer Bildung. Der Mainzer Politikprofessor Armin Schäfer hat in seiner Analyse der Bundestagswahl 2021 festgestellt: «Es sind immer besonders arme Stadtteile, in denen wenige Wahlberechtigte wählen, und die höchste Wahlbeteiligung findet sich in den besten Wohngegenden.»

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Ist das Parlament wirklich repräsentativ?

Im Grunde spiegeln Parlamente wie der Bundestag oder Landtag nur die Stimmen wider, die wirklich abgegeben wurden und gültig sind. Die gewählten Abgeordneten entscheiden aber über Gesetze, die für alle Menschen in Deutschland oder im Bundesland gelten – nicht nur für diejenigen, die wählen waren.

Je größer die Gruppe der Nichtwähler ist, umso weniger Menschen bestimmen tatsächlich, welche Parteien die Geschicke des Landes steuern sollen. Beispiel Brandenburg: Bei der Landtagswahl 2019 machten 331.238 Menschen bei der SPD ein Kreuzchen. Damit holten die Sozialdemokraten mit 26,2 Prozent zwar den größten Anteil gültiger Stimmen. Bezieht man in die Rechnung allerdings alle Wahlberechtigten ein, so haben demnach insgesamt nur 15,9 Prozent von ihnen für die SPD gestimmt.

In der Politikwissenschaft wird es als bedenklich angesehen, wenn Teile der Bevölkerung daran zweifeln, Einfluss auf die Politik nehmen zu können oder gehört zu werden.

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Dabei können wenige Stimmen mehr oder weniger tatsächlich den Ausschlag geben. So hätten die Grünen bei der Landtagswahl im Saarland im März 2022 nur 23 Wählerstimmen mehr gebraucht, um ins Parlament einzuziehen. Weil diese fehlten, scheiterten sie denkbar knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. In Hessen wiederum wäre die FDP im Herbst 2023 nicht in den dortigen Landtag eingezogen, wenn sie rund 1000 Stimmen weniger erhalten hätte. In Sachsen und Thüringen dürfte es für einige Parteien in den Landtagswahlen am Sonntag knapp werden.

Geringe Wahlbeteiligung: Profitieren davon Populisten?

Die Beteiligung fällt insbesondere dann höher aus, wenn eine Wahl als wichtig empfunden wird. Das ist etwa der Fall, wenn ein Politikwechsel möglich erscheint. So stieg sie zwischen dem ersten und zweiten Wahlgang bei der Landratswahl im Thüringer Kreis Sonneberg im Juni 2023 um mehr als 10 Punkte auf knapp 60 Prozent. In der Stichwahl setzte sich der AfD-Bewerber durch und wurde der deutschlandweit erste Landrat der Partei, die in Thüringen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird.

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Das Beispiel zeigt auch: Eine hohe Wahlbeteiligung bedeutet nicht zwangsläufig, dass extreme Parteien geschwächt werden. Wenn dem so wäre, müsste ein Großteil der Nichtwähler eigentlich Anhänger demokratischer Parteien der Mitte sein. Unter den Nichtwählern sind aber überdurchschnittlich viele Politikverdrossene und Unzufriedene. Deren Proteststimme wollen gerade die Parteien an den extremen Rändern für sich gewinnen.

In seiner Analyse der Bundestagswahl 2021 schreibt Politikwissenschaftler Schäfer, für die AfD lasse sich «überhaupt kein Zusammenhang zwischen Stimmengewinnen und -verlusten einerseits und der Veränderung der Wahlbeteiligung andererseits feststellen». dpa/lzi

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