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CDU, AfD, BSW: Wer übernimmt in Sachsen das Ruder?

CDU, AfD, BSW: Wer übernimmt in Sachsen das Ruder?

upday.de |

Zumindest beim Start ins letzte Wochenende vor der Landtagswahl in Sachsen läuft es für die CDU bestens. Die Junge Union (JU) steht mit zahlreichen Bierkästen am Dresdner Albertplatz und gibt Freibier aus. «Lieber blau sein als blau wählen» heißt die Aktion mit Blick auf die Parteifarben der AfD. Am Ende werden 500 Flaschen verteilt. «Wir haben viele positive Rückmeldungen erhalten», sagt JU-Sprecherin Lea Suárez.

Als die junge Frau, Jahrgang 1999, geboren wurde, lief es für die sächsische CDU sogar noch besser. In jenem Jahr kam die Union im Freistaat auf 56,9 Prozent der Zweitstimmen. Damals errang sie hier zum dritten Mal in Folge die absolute Mehrheit. Doch schon fünf Jahre später war es mit der heilen Welt der sächsischen Christdemokraten vorbei. 2004 musste die CDU erstmals die Macht teilen. Die Wahlergebnisse gingen seither immer weiter zurück.

CDU schließt ein Bündnis mit der AfD kategorisch aus

Bei der letzten Landtagswahl 2019 konnte die CDU mit 32,1 Prozent die AfD (27,5 Prozent) zwar noch auf Distanz halten. Aber inzwischen schlug die AfD die Union in Sachsen bei zwei Bundestagswahlen und einer Europawahl schon drei Mal. Umfragen deuten jetzt auf einen knappen Ausgang hin. Mal hat die CDU die Nase vorn, mal die AfD, die Anspruch auf die Macht erhebt. Die CDU schließt ein Bündnis mit der AfD kategorisch aus. Der Verfassungsschutz in Sachsen stuft die AfD in dem Freistaat als gesichert rechtsextrem ein.

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«Der Ausgang ist so offen wie noch nie», sagt der Leipziger Politikwissenschaftler Johannes Kiess. Das verschärfe auch den Wahlkampf. «Grüne und Linke könnten auf Direktmandate angewiesen sein, um überhaupt wieder einzuziehen. Es gibt so viele Unbekannte, man kann wirklich nicht sagen, wie die Wahl ausgeht.»

Mehrere Parteien müssen um Wiedereinzug in Landtag bangen

Tatsächlich landeten SPD und Grüne in Wahlumfragen zuletzt nur knapp über der Fünf-Prozent-Hürde vorbei. Die Linken lagen mit vier Prozent sogar darunter und wären nach der sächsischen Grundmandatsklausel nur noch im Parlament vertreten, wenn sie zwei Wahlkreise gewinnen. Auch die Freien Wähler kamen zuletzt auf vier Prozent und machen sich Hoffnung. Für die FDP scheint es dagegen wieder nicht zu reichen.

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Politologe Hendrik Träger – wie Kiess an der Uni Leipzig beschäftigt – hält angesichts der Umfragewerte viele Varianten für möglich – von einem Drei-Fraktionen-Parlament aus CDU, AfD und BSW bis hin zu einem Parlament mit sieben Fraktionen, in dem dann auch SPD, Linke, Grüne und Freie Wähler vertreten wären. «Das würde die Regierungsbildung erheblich erschweren.» Nur die drei erstgenannten Parteien sieht er als «gesetzt».

Wird der Amtsbonus den Ministerpräsidenten ziehen?

Für den Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer steht nur eines fest: Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das erstmals bei einer Landtagswahl antritt, wird auf jeden Fall Einfluss auf die Regierungsbildung haben. Im Fall von CDU-Regierungschef Michael Kretschmer sieht er einen Amtsbonus. Die Erfahrungen zeigten, dass Ministerpräsidenten als Spitzenkandidaten immer einen Amtsbonus haben, der sich auf der Zielgeraden auswirkt. Deshalb sei es nicht auszuschließen, dass die CDU am Ende vor der AfD ins Ziel komme.

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Vorländer zufolge hätte Kretschmer eine starke Verhandlungsposition, wenn sowohl das BSW als auch die Grünen in den Landtag einziehen. Dann könne er beide gegeneinander ausspielen. Ob er aber tatsächlich versuche, mit dem BSW eine stabile Regierung hinzubekommen, sei zweifelhaft.

Kiess bezweifelt, ob das BSW überhaupt ernsthaft an einer Regierungsbeteiligung interessiert ist, oder «ob Frau Wagenknecht spielt und mit Blick auf die Bundestagswahl im kommenden Jahr pokert. Das ist wohl ihr größeres Interesse.» Was das für Koalitionsverhandlungen in Sachsen bedeute, ließe sich aber nur sehr schwer abschätzen.

Kommt es zu einer Neuauflage des aktuellen Regierungsbündnisses?

Die Spitzenkandidaten von SPD und Grünen betonen im Wahlkampf immer wieder, dass man stabile Verhältnisse brauche und meinen damit vor allem sich selbst. Doch in den Umfragen hatte das aktuelle Bündnis aus CDU, Grünen und SPD zuletzt nur selten noch eine Mehrheit. Deshalb steigt die Nervosität. Die Grünen sprachen unlängst dem BSW ab, eine demokratische Partei zu sein und sehen es vom Kreml unterwandert.

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Aus der grünen Ecke gibt es auch den Vorwurf, CDU und SPD machten gemeinsame Sache. «Wir beobachten, dass CDU und SPD eine Minderheitsregierung vorbereiten», sagt Grünen-Fraktionschefin Franziska Schubert. Vorländer hat zumindest beobachtet, dass beide Parteien im Wahlkampf auffallend «pfleglich» miteinander umgehen. Er führt das auf ein eingespieltes Team zurück. CDU und SPD hatten in Sachsen schon drei Mal koaliert.

Vieles hänge vielleicht auch davon ab, wie in den letzten Tagen des Wahlkampfes gegeneinander «geholzt» werde, meint Träger. Der Ministerpräsident sei da nicht gerade zimperlich mit seiner Kritik an den Grünen. «Daraus folgt die Frage, ob die Grünen noch als Koalitionspartner zur Verfügung stehen, wenn sie im Wahlkampf geteert und gefedert werden.»

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Kiess sieht darin vor allem Wahlkampfrhetorik. Man sollte aber aufpassen, nicht zu viel Porzellan zu zerschlagen, denn vielleicht werde man bald schon wieder zusammen reden müssen, sagt er und ist überzeugt: «So spannend war es noch nie.»

Aggressivität im Wahlkampf hat zugenommen

In einem Punkt sind sich alle drei Politikwissenschaftler einig: Aggressivität und Populismus haben deutlich zugenommen. «Vom Straßenwahlkampf wird berichtet, dass es dort sehr heftig zugeht, dass er eine verrohte und enthemmte Form annimmt», sagt Vorländer. Der Fall des SPD-Politikers Matthias Ecke, der Anfang Mai beim Plakatieren für die Europawahl in Dresden brutal zusammengeschlagen wurde, sei nur die Spitze des Eisberges. Es sei ein Kennzeichen der Zeit, dass nicht nur in geschlossenen Chatgruppen und Sozialen Medien Stimmung gemacht und Hass verbreitet wird, sondern auch auf der Straße. dpa/gf

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