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Warum AfD und BSW Wahlkampf mit dem Ukraine-Krieg machen

Warum AfD und BSW Wahlkampf mit dem Ukraine-Krieg machen

upday.de |

Für Boris Pistorius war es kein Heimspiel. Als der Verteidigungsminister vor einigen Tagen in Leipzig Wahlkampf für die sächsische SPD machen wollte, empfingen ihn Gegendemonstranten. «Stopp Nato! Stopp Aufrüstung!», stand auf einem Transparent. Und auf einem anderen: «Die Reichen wollen Krieg, die Jugend eine Zukunft.» Anmelder der Demonstration waren die Gruppe «Frieden schaffen ohne Waffen» und das Bündnis Sahra Wagenknecht.

Außenpolitische Themen bei Regionalwahlen?

Im Wahlkampf in Thüringen, Sachsen und Brandenburg ist Frieden eines der Topthemen – ungewöhnlich für Landtagswahlen, die ja wenig Einfluss auf die Außenpolitik haben.

Aber gerade das neue BSW stellt den Krieg in der Ukraine in den Mittelpunkt. «Die Friedensfrage ist sehr wichtig», sagt Parteigründerin Sahra Wagenknecht der Deutschen Presse-Agentur. In Thüringen und Sachsen werde am 1. September gewählt, dem Antikriegstag. Da sollten Stimmen «für das BSW ein starkes Zeichen für Diplomatie und Frieden und gegen die Raketenpläne der Amerikaner und der Ampel setzen», meint Wagenknecht.

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Die AfD klinkt sich ein. «Diese Ostwahlen entscheiden auch, ob dieses Land den Kriegskurs verlässt mittelfristig oder ob es weiter in Richtung Krieg-Eskalation hineinmündet», sagte der Thüringer Landeschef Björn Höcke zum Wahlkampfauftakt in Arnstadt. Es gebe nur «eine Möglichkeit, den Frieden zu wählen – und das ist die AfD».

Emotional diskutiert

Beide Parteien lehnen Waffenlieferungen an die Ukraine ab, beide dringen auf Verhandlungen mit Russland, beide schreiben der Nato und dem Westen eine Mitschuld am Krieg zu.

Beide grenzen sich damit zu SPD, Grünen, FDP und auch zur CDU im Bund ab – und punkten bei Wählerinnen und Wählern im Osten. Das BSW lag in Umfragen zuletzt in Thüringen bei 20, in Sachsen bei 15 und in Brandenburg bei 17 Prozent. Für die AfD waren es 29 Prozent in Thüringen, 30 Prozent in Sachsen und 24 Prozent in Brandenburg.

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«Der Krieg in der Ukraine ist aus meiner Sicht ein Riesenthema im Wahlkampf vor den Landtagswahlen im Herbst», sagt die Historikerin Katja Hoyer, die aus Guben in Brandenburg stammt und heute in Großbritannien lebt. Dort sei die Unterstützung der Ukraine kein Streitthema. «Wann immer ich nach Ostdeutschland zurückkehre, wird klar, wie erhitzt und emotional das diskutiert wird», sagt die 39-Jährige.

BSW und AfD bewirtschaften Unsicherheiten

Im Osten befürchten nach Angaben aus dem diesjährigen Allensbach-Sicherheitsreport 76 Prozent der Befragten, dass Deutschland in einen militärischen Konflikt hineingezogen werden könnte. Im Westen sind es nur 44 Prozent.

Russland sehen bundesweit 75 Prozent der Befragten als große Gefahr für den Frieden – im Osten sind es mit 53 Prozent deutlich weniger. Umgekehrt die Sicht auf die USA: 40 Prozent der Befragten im Osten werten die Vereinigten Staaten als besonders große Gefahr, bundesweit hingegen nur 24 Prozent.

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Unterschiede im Russland-Bild der Deutschen in Ost und West habe es zwar auch vor dem Ukraine-Krieg gegeben, sagt der Politologe Oliver Lembcke, der in Jena promoviert hat und heute in Bochum lehrt. Sie seien aber nicht besonders groß gewesen.

«Mit dem Angriffskrieg ändert sich das, und die Schere geht auf.» Die Einstellungen würden nun schärfer zu denen Westdeutscher kontrastiert. Zudem gebe es in Ostdeutschland mehr Unsicherheiten. «Und jetzt kommen zwei Parteien, die diese Unterschiede und dieses Unsicherheitsgefühl befeuern», sagt Lembcke. Strategisch sei das klug.

Angst vor dem Krieg

«Kriegsangst spielt aus meiner Sicht im Osten eine größere Rolle als Antiamerikanismus oder eine prorussische Haltung», sagt die Historikerin Hoyer. Wurzeln sieht sie im Kalten Krieg. «Viele Ostdeutsche sind damit aufgewachsen, dass die Nato die Bedrohung ist mit ihrer Politik, die auf Abschreckung abzielt. Es wurde der Bevölkerung in der DDR von klein auf beigebracht, dass ein Krieg jederzeit ausbrechen könnte. Das scheint viel tiefer verankert zu sein als im Westen.»

Das sieht die sächsische BSW-Chefin Sabine Zimmermann ähnlich.«Die Menschen öffnen uns am Wahlstand ihre Herzen und sagen, dass sie existenzielle Angst haben und hoffen, wir als neue Partei können dagegen was tun», sagt die 63-Jährige.

Ostdeutsche hätten ein feines Gespür dafür, dass sie von vielen im Westen – auch von den Medien – in ihren Ängsten nicht ernst genommen würden. «Da besteht schon die Sorge, dass ein medialer Mainstream ähnlich wie 2015 in der Migrationsfrage legitime Sorgen und Ängste einfach platt bügelt.»

Thüringens AfD-Vize Torben Braga sagt, Bürger unterschieden nicht zwischen den Zuständigkeiten auf Bundes- oder Landesebene. Die AfD spüre, «dass es für unsere Wähler und für viele Bürger ein Thema ist, das sie intensiv bewegt». Daher fließe es in den Landtagswahlkampf mit ein.

Auch Ost-CDUler sticht mit seiner Haltung heraus

Zuletzt ließ auch Thüringens Linke-Ministerpräsident Bodo Ramelow aufhorchen. Er spricht sich zwar – anders als BSW und AfD – für Waffenlieferungen an die Ukraine aus. Wie die beiden anderen Parteien verteidigt er aber ausdrücklich die Gespräche von Ungarns Regierungschef Viktor Orban in Russland und China zum Ukraine-Krieg.

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Sein Amtskollege in Sachsen, CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer, gilt mit seinen beharrlichen Rufen nach mehr Diplomatie und einem Einfrieren des Krieges in der CDU als Sonderling, scheint in seiner Bevölkerung damit aber einen Nerv zu treffen.

Wagenknecht macht Haltung zum Krieg zur Koalitionsfrage

Während die AfD keine Partner hat, könnte das BSW sowohl in Sachsen als auch in Thüringen Teil einer künftigen Regierung werden. In Thüringen ist nach Umfragen sogar denkbar, dass die junge Partei die Ministerpräsidentin stellt.

Wagenknecht macht dazu eine deutliche Ansage: «Wir werden uns nur an einer Landesregierung beteiligen, die auch bundespolitisch klar Position für Diplomatie und gegen Kriegsvorbereitung bezieht.» Thüringens BSW-Co-Chef Steffen Schütz sagt es so: «Wir stehen zu unseren Idealen.» Frieden gehöre zum Markenkern des BSW. «Wenn wir das auf dem Altar des politischen Geschäfts opfern, dann haben wir es auch nicht verdient, wiedergewählt zu werden.»

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Da stecke Konfliktpotenzial für ein Bündnis BSW/CDU, weiß der Politikwissenschaftler Lembcke. Unlösbar sei das aber nicht. «Seit längerer Zeit ist es für die CDU ein Lichtblick, wie sie überhaupt die Machtfrage beantworten kann», sagt der Experte. «Deshalb wird man sich Mühe geben, an dem Thema vorbeizufahren.» Gelingen könne das womöglich, indem man schlicht auf die fehlende Zuständigkeit bei dem Thema auf Länderebene verweist. dpa/nak

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