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Warum in Osteuropa immer mehr Menschen an AIDS sterben

Warum in Osteuropa immer mehr Menschen an AIDS sterben

upday.de |

Trotz großer Erfolge im Kampf gegen Aids sind die Vereinten Nationen noch weit von ihrem Ziel entfernt, die Immunschwäche-Krankheit bis 2030 weitgehend zu besiegen. «Der Weg, der Aids beendet, ist kein Geheimnis. Es ist eine politische und finanzielle Entscheidung», betonte das UN-Programm für die Bekämpfung von Aids, UNAIDS, bei der Veröffentlichung seines neuen Reports. Wenn die Verantwortlichen jetzt die Mittel aufstocken und unter anderem die Rechte von besonders betroffenen Gruppen schützen, könne das Ziel noch erreicht werden. Zu diesen Gruppen zählen Männer, die Sex mit Männern haben, Transgender-Menschen, intravenös Drogenkonsumierende und Sexarbeitende.

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Finanzkürzungen, Diskriminierung und eine zunehmende Beschneidung der Menschenrechte gefährdeten bisherige Fortschritte, mahnte UNAIDS zum Start Welt-Aids-Konferenz in München. Erfolge im Kampf gegen Aids gebe es insbesondere in Afrika südlich der Sahara, obwohl dort die Zahlen weiter hoch sind. Vor allem in der Region Osteuropa und Zentralasien stiegen jedoch die Infektionen.

Weit von Zwischenziel entfernt

Im vergangenen Jahr infizierten sich nach Daten des neuen UNAIDS-Reports rund 1,3 Millionen Menschen neu mit dem Virus. Als Zwischenziel sollten die jährlichen Neuinfektionen bis 2025 auf unter 370.000 gesenkt werden – im Jahr 2023 lag die Zahl damit aber immer noch 3,5-mal so hoch.

Die Zahl der Todesfälle war mit 630.000 zwar nur noch halb so hoch wie noch 2010. Weiter stirbt jede Minute jedoch weltweit ein Mensch an den Folgen von Aids. Die Welt sei nicht auf Kurs, um das Zwischenziel für 2025 zu erreichen, die Aids-bedingten Todesfälle auf unter 250.000 zu reduzieren.

Mahnung an politisch Verantwortliche weltweit

Auch wenn die Zahl der Menschen mit antiviraler Behandlung gestiegen ist: Noch immer hat fast jeder vierte Betroffene keinen Zugang zu lebensrettenden Medikamenten – die auch eine Weiterverbreitung des Virus verhindern. Ausgerechnet Kinder sind erheblich benachteiligt: Haben von den Infizierten ab 15 Jahren 77 Prozent Zugang, so sind es bei den Kindern bis 14 Jahren nur 57 Prozent.

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Die UN wollen Neuinfektionen und Aids-assoziierte Todesfälle von 2010 bis 2030 um über 90 Prozent senken. Die Entscheidungen, die Staats- und Regierungschefs in diesem Jahr treffen, werden laut UNAIDS darüber bestimmen, ob dieses Ziel erreicht werde und Aids bis zum Jahr 2030 damit nicht mehr als Bedrohung für die öffentliche Gesundheit angesehen werden müsse.

Millionen Leben retten

«Staats- und Regierungschefs können Millionen von Leben retten, Millionen neuer HIV-Infektionen verhindern und erreichen, dass alle Menschen mit HIV ein gesundes, erfülltes Leben führen können», mahnte Winnie Byanyima, Exekutivdirektorin von UNAIDS. Wichtig seien genügend Mittel zur Bekämpfung von HIV und der Schutz der Menschenrechte aller.

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Dem Report zufolge könnte sich die Zahl der mit HIV Lebenden, die eine lebenslange Behandlung benötigen, bis 2050 auf etwa 29 Millionen stabilisieren, wenn die Staats- und Regierungschefs jetzt die notwendigen und entschlossenen Maßnahmen ergreifen. Es werde deutlich höhere Kosten verursachen, wenn Aids nicht entsprechend bekämpft werde. Würden nicht die richtigen Entscheidungen getroffen, werde einer Studie zufolge die Zahl der Menschen, die lebenslange Unterstützung benötigen, auf 46 Millionen steigen, gegenüber 39,9 Millionen im Jahr 2023.

Erfolg im südlichen Afrika, Sorge um Osteuropa

Die HIV-Neuinfektionen gingen laut UNAIDS seit 2010 weltweit um 39 Prozent und im östlichen und südlichen Afrika sogar um 59 zurück. In drei Regionen der Welt sei die Zahl der HIV-Neuinfektionen jedoch gestiegen: Betroffen sind Lateinamerika sowie die Region Naher Osten und Nordafrika, vor allem aber die Region Osteuropa und Zentralasien. In letzterer scheine angesichts politischer und finanzieller Herausforderungen die HIV-Bekämpfung gefährlich aus der Bahn zu geraten zu sein. Es ist weltweit die einzige Region, in der auch die Todeszahlen steigen.

2023 wurden in der Region Osteuropa und Zentralasien 140.000 neue Infektionen gemeldet, ein Anstieg um 20 Prozent im Vergleich zu 2010. Die weitaus meisten der neuen HIV-Infektionen konzentrieren sich auf Russland, die Ukraine, Usbekistan und Kasachstan. 

Auch die Zahl der Aids-bedingten Todesfälle erhöhte sich in der Region und erreichte im Jahr 2023 mit 44.000 Toten 34 Prozent mehr als 2010. Test- und Behandlungsprogramme seien für viele Menschen in der Region nicht verfügbar – das gelte besonders für die am stärksten betroffenen Gruppen wie Sexarbeitende, Männer, die Sex mit Männern haben, Transgender-Menschen und Drogen-Spritzende. 

Stigmatisierung erschwert Zugang zu Hilfe

Die Herausforderungen in der Region Osteuropa und Zentralasien seien enorm, bedingt durch restriktive Gesetze, Stigmatisierung und eine unzureichende Ausweitung der HIV-Präventionsmaßnahmen für Risikogruppen, berichtete UNAIDS weiter. 

Ein wachsender Anteil der HIV-Neuinfektionen geschieht laut UNAIDS offensichtlich durch sexuelle Kontakte von Menschen in besonders gefährdeten Gruppen. Verfügbare Daten deuteten darauf hin, dass es vielfach Menschen betreffe, die früher oder aktuell Drogen injizieren. Zudem nehme die Übertragung unter homosexuellen Männern und anderen Männern, die Sex mit Männern haben, zu.

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Der Zugang zu Prävention werde durch zahlreiche Hürden blockiert. Dazu zähle mancherorts die Kriminalisierung des Besitzes kleiner Mengen Drogen und das Verbot von Sexarbeit. Zum Beispiel vermeiden fast die Hälfte der Menschen mit injizierendem Drogengebrauch in Kirgisistan und nahezu ein Drittel der Menschen mit HIV in Tadschikistan medizinische Hilfe aus Angst vor Stigmatisierung und Diskriminierung. 

Krieg beeinflusst Kampf gegen HIV 

Der Kampf gegen HIV in der Region werde durch den Krieg in der Ukraine sowie bewaffnete Konflikte und politische Unruhen in anderen Ländern beeinflusst. Der Ukraine sei es aber trotz des Krieges gelungen, ihre HIV-Dienstleistungen aufrechtzuerhalten, insbesondere die Bereitstellung von Therapien. Dennoch bedeuteten der Krieg in der Ukraine wie auch zahlreiche wirtschaftliche und politische Probleme in der Region langfristige Risiken für die HIV-Bekämpfung. 

Gebrauch von Kondomen rückläufig

Generell erschwerten Stigmatisierung und Diskriminierung etwa gegenüber Sexarbeitenden, Männern, die Sex mit Männern haben, und intravenös Drogen-Konsumierenden den Zugang zu Prävention und Behandlung. Menschen dieser Gruppen und ihre Sexualpartner machen nach dem neuen Bericht im Vergleich zu 2010 (45 Prozent) einen höheren Anteil an den weltweiten Neuinfektionen aus, und zwar 55 Prozent bereits im Jahr 2022. Präventions- und Behandlungsmöglichkeiten erreichten die Menschen nur dann, wenn die Menschenrechte gewahrt seien.

Die Verwendung von Kondomen bleibe die wirksamste und kostengünstigste Methode zur HIV-Prävention, jedoch gehe der Gebrauch zurück. Der Zugang zu Mitteln zur Prävention von Infektionen wie der medikamentösen Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) sei außer in wohlhabenden Ländern gering.

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Die globalen Finanzmittel für den Kampf gegen HIV in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen sind laut UNAIDS rückläufig. Im vergangenen Jahr sanken sie im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent auf 19,8 Milliarden US-Dollar (18,2 Milliarden Euro) im Vergleich zu 2022. Sie lagen damit um 9,5 Milliarden unter dem bis 2025 benötigten Betrag von 29,3 Milliarden US-Dollar. Die inländische Finanzierung gerade in ärmeren Ländern werde auch durch die Schuldenkrise eingeschränkt und verringerte sich von 2022 auf 2023 um sechs Prozent. dpa/nak

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